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Finanzwelt - oder: Ein Fachverlag des untersten Faches...
07.05.2013 21:00

Offener Brief an die Herren Braun (Interview mit Porazik) und Sieciechowicz (Chefredakteur "Finanzwelt"), per Mail vom 07.05.2013:

Sehr geehrter Herr Braun, sehr geehrter Herr Sieciechowicz;

zu dem Interview mit Norbert Porazik (Fonds Finanz Maklerpool) in Ihrer Printausgabe „Finanzwelt“ 02/2013:

Seit einiger Zeit ist bekannt, dass der Fonds Finanz Maklerpool in dem Skandal um die S&K Unternehmensgruppe auch seinen Anteil mitträgt: Der Maklerpool hat sich begeistert eine Sondertranche dieses fragwürdigen Anlageproduktes sichern lassen und durch rege Werbetätigkeit 4,4 Millionen Euro Anlegergelder über seine angeschlossenen Vermittler eingesammelt. Das sind 98 Vermittler, die nun Stress mit Ihren Kunden haben; Anleger, die sich nun um ihr sauer erspartes Geld sorgen. Falls Sie davon nichts mitbekommen haben, können Sie das HIER nachlesen.

Vor diesem Hintergrund wundert mich Ihr Weichspül- Interview mit dem Chef von Fonds Finanz (Norbert Porazik) in Ihrer Printausgabe 02/2013, dem Sie nicht nur keine kritischen Fragen stellen, sondern mehr als deutlich ausschließlich die guten Seiten des Pools ausfragen. Was will Ihr Blatt darstellen - ein „Fachmagazin“ oder eine Werbeagentur? Entspricht so ein Interview Ihrem Verständnis von gutem Journalismus? Dieses "Interview" hätte nämlich auch aus der Feder eines Mitarbeiters der Fonds Finanz selber stammen können.

Alleine die Tatsache, dass das übergroße Foto vom Fonds Finanz- Chef Norbert Porazik mehr Platz einnimmt als der Interviewtext, ist ein Zeichen von Inhaltsarmut. Fielen Ihnen wirklich keine anderen Fragen zu Fonds Finanz ein, als zum Beispiel

„Sie wurden 2013 als einer der besten Maklerpools (...) ausgezeichnet und in der AssCompact Studie als beliebtester Maklerpool (...), wie laufen die Geschäfte?“

Aber ich will nicht ungerecht sein: Das Interview mit dem Starkoch Johannes Lafer in derselben Ausgabe haben Sie toll hinbekommen. Sowas liegt Ihnen, darauf sollten Sie aufbauen. - Ich hoffe, das war nicht zu sarkastisch?

Wenn sich Ihr Blatt schon "Fachmagazin" nennt, dann müsste doch ein Vermittler erwarten dürfen, dass das Magazin nicht nur Marketing für seine Interviewpartner macht, sondern fachliche Hintergründe recherchiert, die für Vermittler wichtig sind. Insbesondere, da bereits 98 Vermittler in jüngster Vergangenheit auf die S&K-Werbung des Fonds Finanz Maklerpools vertrauten und an diesem Produkt mittlerweile verzweifeln dürften. Interessieren Sie sich eigentlich für diese Vermittler? Für deren Kunden? Für den Vertrauens- und etwaigen Vermögensschaden? Ist es für Sie vorstellbar, dass Ihr schmalziges Interview für diese Vermittler ein Hohn auf deren Erfahrungen mit Fonds Finanz und S&K sein könnte? Oder ist Ihnen das alles völlig lafer?

Es ist inakzeptabel, wenn der Schreiber eines "Fachmagazins" exakt NULL Fragen zur Produktpolitik von Fonds Finanz stellt. Die Vermittlerschaft wäre nämlich sehr an der Antwort darauf interessiert, ob man sich auf die Produktpalette von Fonds Finanz verlassen könne oder ob man fürchten müsse, dass selbst ein lautstark beworbenes Produkt am Ende dubioser Schund sein könne. Die Vermittler würde es interessieren, ob der Fonds Finanz Maklerpool aus seinem Fehler mit S&K gelernt hat. Diese Fragen stellen Sie in Ihrem Interview jedoch nicht.

Aber, sehr geehrter Herr Braun, ich kann nachvollziehen, dass Sie Herrn Porazik ungerne auf S&K ansprechen. Denn Ihr eigenes "Fachmagazin" hat diesem Unternehmen über lange Zeit und viele Ausgaben hinweg ein breites Forum geboten. Ihr eigenes Blatt wird in der Wirtschaftswoche zusammen mit staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen genannt, insbesondere im Zusammenhang mit Schmiergeldern zwecks geschönter Berichte. Deswegen trat ja auch Ihre ehemalige Chefredakteurin, Dorothee Schöneich, zurück. Eine Auflistung der Pressemitteilungen, unter denen Ihr Magazin auffallend häufig auftaucht, findet sich übrigens HIER.

Erlauben Sie mir, einmal oberflächlich über meine ersten visuellen Eindrücke von den Chefs der S&K (Schäfer und Köller) zu berichten: Sonnengebräunt, mit unnatürlich gezupften Augenbrauen, völlig overdressed, mit unübersehbar klotzigen Markenuhren und einem ausgeprägten Sinn für protzige Kulisse. Für mich zum damaligen Zeitpunkt bereits der Inbegriff alternder Twens, die sich Fertigkeiten angeeignet haben aber keine Bildung besitzen - insbesondere keine Charakterbildung. Wer solchen Kindern ein Forum bietet und im Vorgespräch zu Interviews nicht bemerkt, dass das gefallsüchtige Blender sind, sollte sein Blatt nicht „Fachmagazin“ nennen.

Eines steht für mich fest: Es gibt kaum Unterschiede zwischen dem Medium „Finanzwelt“ und den darin abgedruckten Finanznasen. Je weniger Ihr sogenanntes „Fachmagazin“ akkurate journalistische Arbeit leistet und professionelle Distanz wahrt, desto mehr fragwürdige Gestalten fühlen sich in Wort und Bild bei Ihnen pudelwohl und geben sich untereinander die Klinke in die Hand. Inwiefern die Erscheinungshäufigkeit eines Unternehmens in Ihrem Blatt ein umgekehrt proportionales Verhältnis zur Seriosität desselben darstellt, wird man sich angesichts der Sachlage fragen dürfen. Zumindest beförderte Ihr Blatt den Absatz der S&K-Produkte in ähnlicher Weise, wie es der Fonds Finanz Maklerpool tat. Dass nun beide so tun, als sei nichts gewesen, ist dabei unanständig aber vielsagend.

Nachdem die ehemalige Chefredakteurin Ihres Blattes nun aufgrund der staatsanwaltschaftlichen Vorwürfe zurückgetreten ist und Herr Christoph Sieciechowicz als Nachfolger sein erstes Editorial verfasst hat, hoffte ich auf selbstkritische Einsicht und eine adäquate Strategie für die Zukunft.

Aber weit gefehlt - der Neue schwadroniert in seinem ersten Editorial als Chefredakteur wie folgt über den Rücktritt seiner Vorgängerin:

„Eine derart konsequente Handlung verdient Respekt - (...)“

Nein, eine solche Handlung ist einfach nur folgerichtig. Weder „derart“ noch respektabel. Ohnehin ist fraglich, ob die ehemalige Chefredakteurin die Einsicht zum Rücktritt nicht durch das Anraten der übrigen Redaktion gewann. Vielleicht sind die Vorwürfe gegen sie ja auch derart wahrscheinlich, dass sie definitiv untragbar als Chefredakteurin war? Eines ist jedoch sonnenklar: Respekt ist erst dann zu diesem Schritt angezeigt, wenn sich erwiesen hat, dass die Vorwürfe gegen Frau Schöneich unhaltbar waren und sie ihr persönliches Recht hinter das Wohl des Verlages stellte. Hier habe ich allerdings meine Zweifel.

Aber zum Stichwort „Respekt“ - werter Herr Sieciechowicz: Aus dem Lateinischen stammend bedeutet dieses Wort nicht etwa eine blinde Achtung vor der Handlung einer Person, sondern die historische Rückschau auf Handlungen oder Eigenschaften, die diesen Menschen eben zu einer solchen Persönlichkeit machten, die sie gegenwärtig ist.

Dass Sie aber weder einen ernstzunehmenden Respekt zollen, noch gewillt sind, eine Rückschau bezüglich des Handelns Ihres Magazins unter Frau Schöneich zu halten, zeigt Ihr weiterer Salbader im Editorial:

„Hier gilt es für uns als Fachmagazin, mit Objektivität und leserorientierter Berichterstattung gegenzusteuern. Rechnen Sie damit, dass es in der Branche in den nächsten Tagen und Wochen weiter Unruhe geben wird. Denn bekannte Größen wanken, Verunsicherung macht sich breit. Das war stets die Stunde der Heckenschützen, der Geschäftemacher und der Rufmörder - so manche Person, so manches Unternehmen wird dem noch zum Opfer fallen.“

Und wenn ich vom Editorial auf die Folgeseite weiterblättere, dann weiß ich sofort, was für ein Witz die Bezeichnung „Fachmagazin“ ist und was die Redaktion unter „Objektivität“ versteht: Da findet sich ein Interview mit Johann Lafer und ein Bericht über das Thema „Altersvorsorge“ - worin nur wiedergekäut wird, was der Versicherer „Heidelberger Leben“ herausgefunden haben will... Wo ist denn da bitte Objektivität? Und was verstehen Sie unter „Leserorientierung“? Sie scheinen sich an anderen Lesern orientieren, als an denjenigen, die durch Ihre S&K - Werbung nun „interessante Zeiten“ haben...

Sie aalen sich in der Opferrolle, indem Sie weiter schreiben, dass Heckenschützen und Rufmörder für so manches weitere Opfer sorgen würden. Wer ist Ihrer Ansicht nach ein Opfer? Frau Schöneich? S&K? Ihr Verlag? Auf jeden Fall finde ich keinerlei Selbstkritik. Anstatt vor der Tür Ihrer eigenen kleinen Finanzwelt zu kehren, versteigen Sie sich in die große, weite und echte Welt: Italienische Clown-Politik, japanische Inflation, Zypern. Massenarbeitslosigkeit in Spanien und Griechenland. Selbst der ehemalige Papst muss herhalten, um davon abzulenken, dass Ihr Blatt S&K ein breites Forum geboten hat und damit hierzulande moralische Mitverantwortung für Anlegergelder in Millionenhöhe trägt. Und die Vermittler, die ihre Artikel ernstlich als die eines objektiven „Fachmagazins“ lasen und daraufhin S&K vermittelten, erwähnen Sie mit keinem Wort. Sie möchten die Opferrolle lieber selber einnehmen. Das ist bequemer. Von echtem Respekt halten Sie wenig. Was hat Ihr Verlag eigentlich aus dem S&K Skandal gelernt?

Nun - nichts. Ihr Verlag möchte nicht lernen. In die Vergangenheit zu schauen, um aus der Erfahrung heraus für die Zukunft die richtigen Schritte einzuschlagen - das liegt Ihnen nicht. Stattdessen legen Sie Ihrer Leserschaft die Erwartung in den Mund, Sie hemdsärmelig visionär und ohne Rücksicht voranschreiten sehen zu wollen:

„In Ihrem Sinne orientiere ich mich nach vorn. Inhaltlich werden wir noch informativer werden und weiterhin auf Objektivität strengen Wert legen“

Noch (!) mehr Informationen über Starköche und versicherereigene Studien? Noch (!) mehr „Roundtables“ mit Gesichtern, die späterhin strafrechtlich verfolgt werden? Und was bedeutet „weiterhin auf Objektivität strengen Wert“ zu legen? Hat Ihr Blatt dies jemals in strenger Art und Weise getan? Sind anwanzende Interviews, wie das neuerliche mit Norbert Porazik von Fonds Finanz, Ihrer Ansicht nach objektiv? Hier ist nur eine einzige Aussage zu finden: Es bleibt alles, wie es ist.

„ Denn aufzuhalten ist die Zukunft nicht, aber wir können sie gemeinsam gestalten.“

Sehr geehrter Herr Sieciechowicz: Begnügen Sie sich als Journalist doch bitte damit, die Vergangenheit und die Gegenwart realitätsnah abzubilden, sie zu beschreiben und Zusammenhänge darzustellen, anstatt die Zukunft „gestalten“ zu wollen. Sie haben in der Vergangenheit schon mit den falschen Gestalten die Zukunft etlicher Menschen verunstaltet. Das reicht.

Nein - nach Würdigung vorgenannter Erkenntnisse bleibt es dabei, dass ich Ihr Magazin ausschließlich während längerer Toilettensitzungen in unserem Bürobetrieb lese. Denn sowohl meine private als auch meine Arbeitszeit sind mir zu schade für dieses gleichermaßen seichte wie ignorante und im Zweifel gefährliche Geschwätz.

Insofern: Wir lesen uns - spätestens nach dem Mittagessen und dem Verdauungsespresso danach.

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